Gründe für die Schafhaltung im Obstbau

Es gibt eine Reihe von Gründen, die es interessant erscheinen lassen, auf einer Streuobstwiese Schafe anzusiedeln. Es gibt ganz gewiss aber auch Aspekte, die für eine erfolgreiche und beiderseitig erfreuliche Koexistenz von Obstbaum und Schaf unbedingt zu berücksichtigen sind.

Wir können hier nur unsere speziellen Erfahrungen mit der Haltung unserer Schafe auf unseren Flächen mit unseren Bäumen darstellen.

Unsere Schafe sind recht genügsame Tiere. Sie haben sicherlich Vorlieben was Futterpflanzen betrifft. Wenn man jedoch ihre Weideflächen richtig dimensioniert, werden auch die weniger beliebten Kräuter effektiv verbissen und es kommt zu keiner Dominanz derselben. So lässt sich die Bodenvegetation effektiv kontrollieren und es kommt zu einer erheblichen Steigerung der Artenvielfalt. So ist das Landreitgras auf der Schafweide fast verschwunden. Andere Kräuter breiten sich aus – in Abhängigkeit von der Verträglichkeit einer 2-maligen Beweidung im Jahr.

Da unsere Schafe das ganze Jahr über im Freien verbringen, kommt es zu einer kontinuierlichen Düngung der Flächen. So verbleiben die vorhandenen Nährstoffe auf der Fläche – nur in einer durch den Wiederkäuermagen veränderten Form. Zusammen mit den Mulchrückständen und abgestorbenen Pflanzen steht eine breite Nahrungspalette für unterschiedliche Bodenorganismen bereit. Dies führt zu einer deutlichen Vitalisierung des Bodenlebens und damit zu einer effektiven Lockerung und Strukturierung des Bodens. Dem wichtigen Anliegen des Aufbaus einer stabilen Humusschicht wird auf diese Weise Rechnung getragen.

Schafe haben erheblichen Appetit auf Äpfel und Birnen. Und unsere Schafe vertragen eine Menge davon. Da die Bäume so gewachsen sind, dass das Obst außerhalb der Reichweite der Schafe wächst, stellt das kein Problem dar – im Gegenteil. So fällt im Laufe der Saison viel Fallobst an. Dieses ist oft von Insekten oder Pilzen besiedelt. Das stört den Obstbauern, nicht aber das Schaf. So leisten die Tiere einen nicht unerheblichen Beitrag zur Regulierung von Organismen, die genau so ein großes Interesse an unseren Früchten haben wie wir selbst.

Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Präsenz der Herde auf der Fläche. Sie belebt die Streuobstwiese. Abseits von reinen Nutzenserwägungen wirken die Tiere. Wie sie das tun ist Gegenstand von Beobachtung und Erlebnis, weniger von Argumentation.

Geschichte unserer Schafhaltung

Im Jahre 2007 haben wir uns entschlossen, die Bodenvegetation auf der damals noch einen Streuobstwiese mit Schafen zu regulieren. Das war eine Entscheidung die eher durch eine Notwendigkeit diktiert wurde als dass wir uns frei zu diesem Schritt entschlossen haben.

Unsere erste Fläche, der „Obstgarten am Bauhof“ in Burg Stargard war eine runtergesägte und danach liegen gelassene Pflaumenplantage. Die im Boden verbliebenen Wurzeln wurden nicht gerodet, die verbliebenen Unterlagen trieben aus und waren inzwischen zu einem Dickicht herangewachsen. Nach der Beseitigung des Dickichts verblieben Unmengen von stahlharten, langen Stacheln, mit denen das Gestrüpp reichlich versehen war auf der Fläche. Versuche, mit einem Traktor den Bodenbewuchs zu regulieren wurden schnell ad acta gelegt. So erschienen Schafe als eine mögliche und sinnvolle Lösung

Die ersten Schafe im Obstgarten am BauhofWir hatten keine Ahnung von der Haltung, wußten nicht im Geringsten, was auf uns zukommen würde. Die Wahl von Kamerunschafen als Rasse war eher zufällig und nur durch die Kenntnis bedingt, dass diese Rasse nicht geschoren werden muss. Von dem Charakter der Tiere hatten wir keine Ahnung. Es hat uns auch nicht aufgeschreckt, als wir unsere ersten 3 Tiere von einem Züchter gekauft haben und diese bei der Abholung vom Verkäufer in einer wilden Hetzjagd eingefangen werden mussten. Kamerunbock und -hammel eines anderen Züchters waren dem menschlichen Kontakt über weniger abgeneigt.

MuffelmuttiErwartungsgemäß gab es in der Folge viele Probleme, oft haben wir über die Abschaffung nachgedacht, sie eigentlich schon beschlossen. Dann änderte sich alles, als uns ein Muffelschaf über den Weg und in unsere kleine Herde lief. Mit ihrem ausgeglichenen Wesen und ihrer Rolle in der Gruppe hat sie die Situation entscheidend verbessert. Alle Schafe wurden deutlich beruhigt. Sie sind bis heute, mit Ausnahme weniger Tiere, nicht handzahm.

Dorperbock ErichIm Laufe der Jahre wurde ein Problem deutlich, das mit der Rasse Kamerunschaf eng assoziert ist. Es wurden in der Vergangenheit wenige Tiere nach Europa gebracht, der Genpool ist sehr begrenzt. Eine Reihe von gesundheitlichen Problemen führten wir, wie sich später herausstellte nicht zu unrecht, auf die Inzestproblematik zurück. So entschieden wir uns, einen neuen Bock anzuschaffen, einen Dorperbock namens „Erich“.

Als die Herde allmählich anwuchs und wir die Bewirtschaftung des Obstgartens in Fünfeichen übernommen haben, entschieden wir, die Schafe nach dort umzusiedeln. Das Futterangebot war hier größer und der Aufwand für das Umzäunen deutlich geringer.

Heute umfasst unsere Herde über 40 Mutterschafe. Im Laufe der Zeit hat sich die Herde immer mehr als eine Gemeinschaft etabliert. In zunehmendem Maße kann man das Funktionieren sozialer Strukturen beobachten. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass viele Schafe noch keine Herde ausmachen. Wahrscheinlich wird das um so deutlicher, wenn man mit einer Population zu tun hat, die ursprünglich wesentlich auf einer recht scheuen Rasse aufgebaut worden ist.

Obstbaumschnitt

Die Verwendung stark wachsender Unterlagen hat einen erheblichen Einfluss auf die Bewirtschaftung von Obstwiesen. Um eine nachhaltig stabile Krone zu erziehen, sind gerade in den Jahren des starken Wachstums regelmäßige Eingriffe notwendig.

Wir haben uns von Anfang an für die Erziehung von Öschbergkronen entschieden. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre haben wir Erfahrungen sammeln können und unsere Schnitttechnik entsprechend angepasst.

Der Baumschnitt macht dem mit weitem Abstand größten Anteil an der jährlichen Arbeit auf den Obstwiesen in Anspruch. Von November bis April nutzen wir jeden regen- und schneearmen bzw. -freien Tag zum Baumschnitt.

Wer genauere Informationen oder Ratschläge bezüglich des Obstbaumschnitts wünscht, kann sich zu den von uns angebotenen Baumschnittkursen anmelden.

Obstbäume

In der Regel besteht heute ein Obstbaum aus 2 Pflanzen: der Unterlage und dem Edelreis. Die Unterlage ist ein Obstbaum, der durch seine Wurzel mit dem Boden verbunden ist. Es gibt für unterschiedliche Standorte und Wirtschaftweisen (Plantage, Streuobstwiese) unterschiedliche Unterlagen. Diese sind auch für die Anpassung des späteren Obstbaums an den Boden wesentlich verantwortlich.

Die zweite Pflanze (das Edelreis) wird auf die angewachsene Unterlage veredelt. Dazu reicht ein Zweig oder auch nur eine Knospe eines sogenannten Mutterbaumes. Das Edelreis bestimmen dann, welche Sorte von dem künftigen Baum geerntet werden wird. Es handelt sich um eine alte Klontechnik, die sicher stellt, dass genau die Früchte geerntet werden können, die man haben will. Bei einem Apfel(-kern) kennt man zwar die Mutter, aber der Pollenspender (Vater) ist nicht bekannt. Daher kann man bei aus Kernen gezogenen beispielsweise Apfelbäumen nicht vorhersagen, wie die Früchte aussehen werden.

Wir haben uns dafür entschieden, überwiegend stark wachsende Unterlagen (Sämlingsunterlage) zu verwenden. So steht jeder Baum als Solitär auf der Fläche und hat genügend Standfestigkeit um Früchte zu tragen und den Witterungsunbilden zu widerstehen. Die Wurzeln reichen tiefer in den Boden und können so auch tiefer liegende Wasser- und Nährstoffreserven erschliessen. So hoffen wir die Versorgung der Pflanzen auch während schwieriger Witterungslagen stabil abzusichern. Das ist unser Versuch, immer häufiger aufretende, ausgedehnte Trockenphasen gut zu überstehen. Auch werden durch natürliche Erosion in tiefere Bodenschichten verlagerte Nährstoffe dem Ernährungskreislauf des gesamten Standortes wieder zugeführt.

Bodenwirtschaft

Der Boden ist eine der wichtigsten ökologischen Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion. Ob es sich um einen sandigen oder eher lehmigen Boden handelt kann kaum beeinflußt werden. Was sich sehr wohl verändern läßt ist die Bodenentwicklung.

Es gibt Maßnahmen die relativ schnell zu einer Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, soll heißen der Ertragsfähigkeit, führen. Dazu gehört die Düngung. Diese erfolgt auf unseren Flächen ausschließlich über die Schafherde. Zusätzlich werden die Flächen gemulcht, d.h. es wird der Bodenbewuchs gemäht und das Mähgut verbleibt auf der Fläche. So verbleiben wichtige Nährstoffe auf der Fläche. In Zusammenarbeit mit Bodenorganismen wie Regenwürmern wird so langfristig ein fruchtbarer und relativ stabiler Humushorizont aufgebaut. Dieser verbessert wesentlich Belüftung (wichtig auf schweren Böden) und Wasser- und Nährstoffhaltevermögen (wichtig auf leichteren, sandigen Böden).

Ein wichtiger Beitrag zum Erhalt und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit ist der Verbleib möglichst vieler Nährstoffe auf den Flächen. Das hat für uns höchste Priorität. Es werden nur Früchte von der Fläche entfernt. Und auch nur die zur Verarbeitung geeigneten. Alles andere, wie beispielsweise Baumschnitt, Laub und Schnittgut aus der Mahd verbleiben.

Das Befahren der Flächen mit Fahrzeugen wird auf ein Mindestmaß reduziert. Bodenverdichtungen lassen sich nur sehr langfristig beseitigen, wenn sie nicht technisch herbeigeführt und nur kurzfristig wirksam sein sollen. Nasser Boden neigt noch deutlich stärker zur Verdichtung. Daher achten wir darauf, dass wir während längerer Regenperioden das Befahren wo möglich prinzipiell vermeiden.

Der Boden ist während des gesamten Jahres bewachsen. Baumscheiben legen wir nur für wenige Jahre unmittelbar nach erfolgter Neupflanzung an. Ansonsten ist der Boden ganzjährig vor Erosion durch Starkregen oder Verwehung während starker Trockenperioden geschützt.

Wirtschaftliche Nachhaltigkeit

Von grundlegender Bedeutung ist die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Dieser Aspekt wird in der Diskussion über den Erhalt und den Aufbau von Streuobstwiesen oft nicht ausreichend berücksichtigt. Wir als Obstbaumwirtschaft sehen hier natürlich einen ganz entscheidenden Schwerpunkt. Wenn es uns nicht gelingt, wirtschaftlich tragfähig zu sein, kann die sehr kostenintensive Arbeit und Aufgabe nicht umgesetzt werden. Die im Vergleich zu einer Plantagenwirtschaft geringeren Erträge auf einer Streuobstwiese udn der wesentlich erhöhte Pflege- und Ernteaufwand beeinträchtigen die Konkurrenzfähigkeit beim Obstverkauf über den Großhandel. Deshalb erschien es uns von Anfang notwendig, die Veredlung bzw. Verarbeitung der Früchte in unserem eigenen Betrieb umzusetzen. Nur wenn Wege und Prozesse möglichst kurz gehalten werden, kommen die Vorteile einer regionalen Wertschöpfung wirklich zum Tragen.

Ziele des Obstbaus

Die Anforderungen und Aspekte, die eine nachhaltige, naturnahe Obstwiese an den Bewirtschafter stellt, sind sehr vielfältig. Unterschiedliche Zusammenhänge müssen berücksichtigt werden und beeinflussen sich gegenseitig. So spielen Boden und Klima sicher die entscheidene Rolle in der Landwirtschaft. Sie sind grundlegend für alle weiteren Entscheidungen. Sie entscheiden wesentlich über den Umgang mit Boden, Vegetation und Obstkultur (Wahl der Obstarten, – sorten, Unterlagen usw.) Man muss Entscheidungen treffen, Prioritäten setzen. Das macht die Individualität eines jeden Betriebes aus. In der anthroposophischen Landwirtschaft spricht man vom Betriebsorganismus. Unter dem Betriebsorganismus versteht man die Gesamtheit der auf die Entwicklung eines Betriebes Einfluß ausübenden Faktoren. Neben Boden und Klima spielt der Umgang mit der Bodenvegetation und dem Boden, die natürlich vorhandene Fauna, die Wahl der Obstbäume, evtl. eingeführte Tierhaltung und vieles Andere eine Rolle. Aber ganz entscheidend ist auch die Persönlichkeit des Bewirtschafters, da von diesem viele Aspekte beeinflußt werden.

Um diesen Organismus am Laufen zu halten ist es aber natürlich auch notwendig, wirtschaftliche und technologische Erwägungen mit hoher Priorität zu berücksichtigen. Viele Streuobstprojekte scheitern an diesem Aspekt. Für uns ist er entscheidend für den nachhaltigen Erfolg unseres Versuches, Streuobstwiesen wirtschaftlich erfolgreich zu erhalten.